Somatisierungsstörungen

WAS VERSTEHT MAN UNTER SOMATISIERUNGSSTÖRUNGEN?

Diese Krankheit ist gekennzeichnet durch anhaltende Körperbeschwerden oder Schmerzen. Für diese Beschwerden findet sich trotz intensiver und genauer Untersuchungen keine körperliche Ursache. Dabei finden sich immer wieder Befunde, die einen Teil der Beschwerden erklären können, aber nicht das volle Ausmaß. Die Beschwerden können in nur einer Körperregion oder gleichzeitig in verschiedenen Regionen (Kopf, Rücken, Schulter, Arm, Brust, Bauch, Unterleib) auftreten. Häufig finden sich zusätzlich Müdigkeit oder auch Schwindelgefühle, Magen-Darm-Beschwerden, Schwitzen, Unruhe oder Herzrasen. Die Betroffenen hören oft, dass sie "nichts haben“. Sie fühlen sich unverstanden. Sie verzweifeln zunehmend, werden hoffnungslos. Auch wenn sich keine auffälligen Befunde, Laborveränderungen und/oder Auffälligkeiten im Röntgenbild finden, gibt es keinen Zweifel daran, dass ihre Schmerzen echt und nicht eingebildet sind.

Die somatoformen Störungen beruhen häufig auf einer Störung der Schmerz- und Stresserfahrung. Betroffene sind meist stress- und schmerzempfindlicher als andere Menschen. Seelische Faktoren spielen bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der Störung eine wichtige Rolle. Seelische Belastungen werden nicht seelisch wahrgenommen, daher können sie auch nicht als solche ausgedrückt werden. Seelische Not manifestiert sich dann in körperlicher Sprache: Körperschmerz statt Seelenschmerz. Das überrascht nicht, wenn man weiß, dass Schmerzempfinden und Gefühle mit den gleichen Gebieten im Gehirn zusammenhängen.

WIE WERDEN SOMATISIERUNGSSTÖRUNGEN DIAGNOSTIZIERT?

Zunächst erfolgt eine sorgfältige Untersuchung zum Ausschluss einer organischen Verursachung der beklagten Körperbeschwerden. Die Diagnose der somatoformen Störung wird durch ein Gespräch gestellt. Die Schilderung der Beschwerden gibt meist genügend Hinweise auf die Ursache der somatoformen Störung, psychologische Tests ergänzen die Diagnose. Testverfahren werden bei uns immer zusätzlich eingesetzt.

Einteilung der somatoformen Störungen

Im Klassifikationssystem der ICD-10 werden folgende somatoforme Störungen beschrieben:

  1. Somatisierungsstörung: wechselnde körperliche Symptome
  2. Undifferenzierte Somatisierungsstörung: wie Somatisierungsstörung, aber unvollständige Ausprägung
  3. Hypochondrische Störung: besorgtes Grübeln über die Möglichkeit, an einer noch unentdeckten Erkrankung zu leiden
  4. Somatoforme autonome Funktionsstörung: Symptomkomplex, der einem vegetativen Organsystem zugeordnet werden kann
  5. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung: chronische Schmerzen, als deren Ursache psychische Spannungen angenommen werden
  6. Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren: chronische Schmerzen bei gesichertem Vorliegen einer körperlichen Grundlage, deren Ausdruck und Erlebnisintensität jedoch durch psychische Faktoren ausgestaltet wird
  7. Sonstige somatoforme Störungen: nicht an das vegetative System gebunden

WIE WERDEN SOMATISIERUNGSSTÖRUNGEN BEHANDELT?

Oft können somatoforme Störungen ambulant behandelt werden. Aufgrund der Schwere der Erkrankung kann aber auch eine stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich werden. Häufig kommt es während der stationären Behandlung durch das Verlassen der Alltags-/Überforderungssituation bereits zu einer hilfreichen Distanz zu Aufgaben und Konflikten.

Unser Behandlungskonzept für somatoforme Störungen beinhaltet Therapieangebote, die die leibliche, seelische und spirituelle Dimension berücksichtigen.

Medikamentöse Behandlung

Schmerzmittel bringen bei der somatoformen Störung keine oder allenfalls eine kurzfristige Schmerzlinderung und sind deswegen nicht sinnvoll und auch nicht indiziert. Manchmal können Antidepressiva helfen, eine gewisse Distanz gegenüber dem Schmerz zu ermöglichen.

Mit den anthroposophischen antidepressiven Medikamenten werden die Selbstheilungskräfte des Patienten dahingehend angeregt, wieder in ein gesundheitsförderndes Gleichgewicht zu kommen. Äußere Anwendungen, Wickel, Einreibungen und Öldispersionsbäder unterstützen den Gesundungsprozess.

Musiktherapie

Durch Musiktherapie wird die seelische Ausdrucksfähigkeit geübt, gestärkt und verbessert. Schwingungsfähigkeit und seelische Beweglichkeit nehmen zu. Die Auseinandersetzung mit musikalischen Prozessen ist ein Weg und eine Hilfestellung zur Wahrnehmung und Ausdrucksmöglichkeit der eigenen Gefühle.

Therapeutisches Malen

Es wird meistens in der Nass-in-Nass-Malweise und mit Aquarellfarben gearbeitet, da diese Technik sehr beweglich, lebendig und phantasie-anregend ist. So wird durch die Wirkung der Farbe die Seele angeregt, ihre Gefühle, negative wie positive, zum Ausdruck und in die Gestaltung zu bringen. Je nach den individuellen Bedürfnissen des Patienten können auch andere Techniken, wie z.B. Formen-Zeichnen, zum Einsatz kommen.

Therapeutisches Plastizieren

Beim Plastizieren werden die gestaltenden Kräfte angeregt. Der Patient kann sich bei der Gestaltung mit Ton handfest mit seinen Gefühlen und deren Ausdruck auseinandersetzen.

Psychotherapeutische Behandlung

Die psychotherapeutische Behandlung hat das Ziel, die Schmerzwahrnehmung zu verändern. Der Patient lernt zwischen Schmerzen und Gefühlen zu unterscheiden. Er lernt den mit Schmerzen verbundenen Gefühlen einen Platz einzuräumen, statt sie zu unterdrücken. Hier stellt die Schematherapie nach J. Young eine enorm wirksame und sehr praktische psychotherapeutische Methode dar. Es kommt dabei auch der Betrachtung der Beziehungen zu anderen Menschen eine wichtige Rolle zu. Ziel ist es, die eigenen Bedürfnisse und Wünsche im Rahmen der Psychotherapie (neu) zu entdecken. Ein weiteres Ziel ist, diese Bedürfnisse ernst zu nehmen und die Selbstfürsorge zu verbessern. Dies kann den Betroffenen dazu befähigen, Überforderungssituationen früher zu erkennen und einen für sich angemessenen Umgang zu finden. Häufig können im Verlauf der Therapie (zum Beispiel durch spezielle gefühlsbetonte Methoden, wie die Imagination in der Schematherapie) auch zum Teil weit zurückliegende und immer noch belastende Ereignisse, Kränkungen, Enttäuschungen und Verluste erlebbar werden. Sie können in Worte gefasst und angesprochen werden; dadurch wird Entlastung und Schmerzreduktion erfahren. Der Seelenschmerz kann in die eigene Lebensgeschichte integriert werden. Die somatoforme Störung kann so im besten Falle aufgelöst werden.

PERSPEKTIVE: LEBEN MIT DER ERKRANKUNG

In der Behandlung der somatoformen Schmerzstörung geht es selten um Schmerzbewältigung oder darum, „mit den Schmerzen leben“ zu lernen, sondern vielmehr um die psychotherapeutische Bearbeitung der zu Grunde liegenden Konflikte oder andauernde Überforderungssituationen. Gelingt dieses - wozu sicher eine ambulante, längerfristige und kontinuierliche Psychotherapie erforderlich ist - werden die Körperschmerzen überflüssig.