Psychoonkologie

Die Diagnose Krebs stellt für die Patienten in der Regel eine große physische und psychische Belastung dar. Gerade die ersten Tage im Krankenhaus, die Zeit der Diagnostik, des Behandlungsbeginns und des Wartens auf weitere Informationen erleben viele als emotional besonders schwierig. Zuversichtliche Momente wechseln sich ab mit Phasen tiefer Trauer und Hoffnungslosigkeit.

Im Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe bieten wir deshalb jedem Patienten mit der Erstdiagnose eines Karzinoms psychoonkologische Gespräche zur Unterstützung an. Sie finden in einem geschützten Raum statt, in dem die Patienten Fragen stellen, Gedanken mitteilen oder Sorgen und Ängste offen aussprechen können, die sie mit Angehörigen oder Freunden unter Umständen (zunächst) nicht thematisieren wollen. Neben der eigentlichen Erkrankung richtet sich der Blick auf die aktuelle Lebenssituation, die soziale und familiäre Einbettung und die Zeit nach dem Krankenhausaufenthalt. Für viele ist die Krebserkrankung ein Anlass, den eigenen Standort zu bestimmen, bislang Selbstverständliches zu überdenken und neue Schritte zu planen.

Unsere Therapeuten machen sich durch gezielte Fragen ein Bild, wo die Patienten vor allem Hilfe benötigen. Je nachdem, ob die seelischen Belastungen ihre Ursache in erster Linie im Physiologisch-Regenerativen, im Seelischen oder im Biographischen haben, können wir gezielt Unterstützung anbieten. Sind die Beschwerden physiologisch-regenerativer Art – begründet meist durch medizinische Therapien oder den Tumor selbst - zielen unsere Behandlungen auf eine Stärkung der Vitalität und Lebenskräfte. Wir erklären die Genese von Müdigkeit, Erschöpfung, Konzentrationsstörungen oder Schmerzen, ermutigen die Patienten in Gesprächen und ergänzen sie durch weitere integrative Therapien, zum Beispiel Wickel, Einreibungen, Auflagen, anthroposophische Massagen, Heileurythmie oder Physiotherapie.

Auf seelischer Ebenen erleben viele Patienten Gefühle von Schock, Angst, Trauer, kreisende Gedanken und Anspannung sehr intensiv. Sie führen zusätzlich häufig zu körperlichen Symptomen wie Schlaflosigkeit, muskuläre Verspannungen, Atemnot oder Magen-Darmbeschwerden. Entlastung erfolgt im Rahmen einer Krisenintervention sowie stützend-therapeutischer Gespräche, in denen kleinschrittige Lösungsmuster erarbeitet und Methoden zur Ent-Ängstigung und Stressbewältigung erlernt werden. Typische, belastende Denkmuster werden umgewandelt, verschiedene Persönlichkeitsanteile bewusst gemacht und für die Problemlösung genutzt. Diese Verfahren kombinieren wir oft mit künstlerischen Therapien, insbesondere der Maltherapie und Musiktherapie, aber auch mit Heileurythmie, Massagetherapien und Physiotherapie. Ziel ist eine seelische Stabilisierung und Entlastung, die häufig auch positive Auswirkungen auf den körperlichen Genesungsprozess hat.

Ein wesentliches Element der anthroposophischen Psychoonkologie ist die Arbeit auf der biographisch-individuellen Ebene, wenn beispielsweise eine Krebserkrankung eine tiefe Sinn- und Lebenskrise ausgelöst hat. Patienten thematisieren bisherige Wünsche, Lebensziele und Bedürfnisse und reflektieren biographische Brüche und Verletzungen. Eine häufig gestellte Frage - Was erscheint im Licht der Erkrankung wesentlich? - führt in vielen Fällen zu ganz neuen Impulsen und einem inneren Frieden mit der Situation. Die therapeutischen Gespräche orientieren sich dabei immer an den Möglichkeiten der Zukunft, selbst wenn die Krankheit nur noch wenig Lebenszeit erwarten lässt. Hier eröffnet sich unter Umständen auch eine spirituelle Perspektive, so dass die eigene Biographie vor einem weiteren Hintergrund angeschaut werden kann.